„ganz konkret“
15. Feb. 2020 bis
20. Juni 2020
Vernissage:
15. Feb. 2020, 17 Uhr
Öffnungszeiten:
Do / Fr / Sa 17 -19 Uhr,
und nach Vereinbarung
Z U R Ü C K
|
„ganz
KONKRET“
Ilse Aberer I Götzis und Prof. Dietmar Guderian I Freiburg
Einführung: Prof. Dietmar Guderian und Erhard Witzel
Beteiligte KünstlerInnen:
Ilse Aberer - A I Waltraut Cooper - A I Edgar Diehl - D I Werner Dorsch -
D I Ingo Glass - ROU I Gisela Hoffmann - D I
Gerhard Hotter - D I Michel Jouet - F I Vesna Kovacic - SVN I Laszlo Otto - HUN I Rolf Schneebeli - CH I
Martin Vosswinkel - D I
Im Herbst beginnen Uta
Waeger und Erhard Witzel im QuadrART Dornbirn mit einem neuen
Ausstellungsformat. Der Titel: „In guter Gesellschaft“.
Der Tradition folgend wird zu jeder Show ein Kurator eingeladen, der die
jeweilige Ausstellung verantwortet. Das sollen zukünftig Vorarlberger
Künstler sein, die dann nicht nur mit eigenen Arbeiten in der von Ihnen
organisierten Ausstellung vertreten sein sollen, sondern sie werden drei
bis sechs Kollegen mit dazu einladen, die mit ihren künstlerischen
Statements in einen Dialog treten.
Mit diesem neuen Format soll mehr der Fokus auf die spannende Vorarlberger
Kunstszene gelegt werden, die bereits seit geraumer Zeit immer
weniger
Möglichkeiten hat, im „non kommerziellen“ Bereich in Vorarlberg ihr
Leistungsspektrum zu präsentieren.
Als quasi „Intermezzo“, bevor das neue Format im September beginnt, haben
die Kuratoren Ilse Aberer I Götzis und Prof. Dietmar Guderian I Freiburg
unter dem Titel "ganz KONKRET" internationale Künstler eingeladen, die sich
in ihrer künstlerischen Arbeit komplett dem Thema „konkret“ widmen.
Es wird in einigen Fällen ein Wiedersehn in Dornbirn geben, denn mit Gisela
Hoffmann, Vesna Kovacic, Ilse Aberer und Edgar Diehl zeigen Künstler,
die
bereits in „Ansichten“ Präsentationen im QuadrART Dornbirn zu sehen waren,
ihre neusten Arbeiten.
Erhard Witzel
Anmerkungen zur Ausstellung „ganz KONKRET“ im QuadrART in Dornbirn
Das Wort „konkret“ hat im deutschen zwei Bedeutungen: Sagt jemand zum
Beispiel über eine Person „Manches an dir gefällt mir nicht“, dann
könnte die angesprochene Person zum Beispiel sagen: „Werd’ doch mal
konkret“ und meint damit etwa: „Komm doch mal zur Sache“ oder „Nenn’
doch mal ein Beispiel“.
In der „KONKRETEN Kunst“ hat das Wort dagegen ein davon abweichende, ganz
spezielle Bedeutung: Dem Sinne nach wie „sachlich überprüfbar
und richtig“.
Wenn Max Bill 1980 zum Beispiel in seinem Werk „Konstruktion zum Thema
3:4:5“ die Seitenlängen in einem pythagoräischen Dreieck durch
3,4
und 5 aneinander gereihte gleiche Quadrate darstellt, so können wir durch
Abzählen der kleinen Quadrate wie Pythagoras vor 2000 Jahren
tatsächlich
feststellen: die Seitenlängen stehen im Verhältnis von drei zu vier zu
fünf.
Mit max bill könnten wir sagen: „Das Bild und sein Titel sind von
menschlichem Geist geschaffen, „richtig“ und vom menschlichen Geist
erkennbar
und überprüfbar“.
Derartige KONKRETE Kunstwerke stellen keine realen Situationen oder
Gegenstände in einer bestimmten Stilrichtung dar. Sie repräsentieren in
Kunstwerke übertragene Gedanken, genauer gesagt, sind sie Produkte
logischen Denkens, also mit Hilfe menschlichen Geistes geschaffene Produkte.
Setzten wir voraus, dass an den Grundfesten logischen Denkens – es gibt nur
entweder „wahr“ oder „falsch“– nicht gerüttelt wird, so bleiben durch
Künstler geschaffene auf der üblichen zweiwertigen Logik basierende
KONKRETE Kunstwerke für alle Zeit logisch gestaltet und überprüfbar.
Ihr
geistiger Inhalt lässt sich auch zukünftig erkennen und überprüfen. Sie
ruhen losgelöst von jeder modischen Strömung in sich.
Diese Unabhängigkeit der KONKRETEN Kunst von jedem Trend ist mit Sicherheit
ein Grund für ihre andauernde Existenz in Vergangenheit und
Zukunft,
während andere Stilrichtungen in den vergangenen hundert Jahren kamen und
wieder vergingen. Die KONKRETE Kunst konnte sich jedoch
nicht ein einziges
Mal eine Zeit lang als so etwas wie eine Hauptkunstrichtung durchsetzen:
Sie blieb dennoch seit ihrer Entstehung im frühen zwanzigsten Jahrhundert
bis heute durchgehend und durch alle politischen und gesellschaftlich
Veränderungen hindurch präsent
Drei wesentliche Merkmale der KONKRETEN Kunst machen im Unterschied zu
anderen Kunstrichtungen ihre globale und zukunftsweisende
Bedeutung aus:
- KONKRETE Kunst arbeitet mit international bekannten und genutzten u.a.
mathematischen Elementen und Zusammenhängen.
- Ihre Art der Kunstvermittlung ist weitgehend nichtverbal.
- KONKRETE Kunst kann geradezu völkerverbindend losgelöst von kulturellem
Vorwissen ausgeführt und betrachtet werden.
Damit ist sie auch geeignet für „bildungs- bzw. traditionsferne“-
Bevölkerungsschichten aber auch für Volksgruppen aus verschiedenen
Kulturkreisen,
z.B. erkennbar auf der vorletzten Biennale 2016 an herman de
vries aus den Niederlanden und auf der documenta 14 am Beispiel von
Künstlerinnen
und Künstlern aus Chile, Mexico, Lappland, Kanada, Pakistan.
In dieser Ausstellung zeigen Künstlerinnen und Künstler *) vor allem im
vergangenen Jahrzehnt geschaffene KONKRETE Kunstwerke aus einer von
dem Freiburger Professor Dietmar Guderian gegründeten Gruppe für Neue KONKRETE
Kunst.
1
Der aus Victor Vasarelys Geburtsstadt stammende Ungar Laszlo Otto malt in
einer schon fast historisch zu nennenden Weise basierend auf der
Folge 1,2,3,4,... Rasterbilder in einer logischen Strenge und Perfektion,
wie ich sie nicht einmal in den Ateliers der Altmeister der KONKRETEN Kunst
sah.
2
Der gebürtige Siebenbürger Ingo Glass lebt heute in Budapest und steht mit
seiner Kunst seit Jahrzehnten gezielt und durch seine eigene geistige
Leistung und deren optische Ergebnisse im Gegensatz zum Beispiel zu der im
vergangenen Jahr gehrten Bauhaus-Pädagogik: Er übernimmt nicht
deren auf Kandinski ́s Buch „Über das Geistige in der Kunst“ basierende
Farb-Form-Zuordnung Quadrat-Rot, Kreis–Blau, Dreieck–Gelb. Er
entscheidet,
weil ihm der Kreis dynamischer erscheint als das Quadrat, dem Kreis die
Farbe Rot zuzuordnen. Diesem Prinzip bleibt er durch sein
jahrzehntelanges Schaffen hindurch treu. Da er ausschließlich mit den drei geometrischen
Grundformen Quadrat, Kreis, Dreieck arbeitet, bleibt ihm
ein künstlerischer Spielraum nur bei der formalen Gestaltung seiner Kunstwerke. Ein Beispiel
dafür sehen wir hier in einer für ihn wichtigen, mit dem
Geist des
Künstlers entwickelten und von uns geistig überprüfbaren Skulptur: Das
blaue Quadrat und das gleich hohe gelbe Dreieck sind so bemessen,
dass
sie mit ihren Ecken ein Quadrat in der Ebene bilden, in dem zentral das rote
Dreieck ruht.
3
Die Nürnbergerin Gisela Hoffmann geht in den Raum hinaus, versucht sich wie
max bill an Figuren, die an das vor vielen Jahrzehnten erfundene
Möbius-Band erinnern, das auch von Eschers auf dem Band endlos
hintereinander herlaufenden Ameisen bekannt ist. Aber die Künstlerin
stülpt ihrem
Werk, das nur scheinbar ein Möbius-Band ist, ein
anspruchsvoll erdachtes räumliches Konzept über: Die Skulptur ist achsen-
und rotationssymmetrisch.
4
Sie erreichen wie Ilse Aberer durch den neuartigen Einsatz Jahrhunderte
alter Gestaltungsprinzipien – hier des Goldenen Schnitts
– neue Seherlebnisse für den Betrachter.
Jede der abgebildeten Skulpturen gehört zu einer Serie, die dem Alphabet
folgend aus 26 unterschiedlich farbigen Arbeiten besteht, die alle aus
einem Quadrat erarbeitet wurden und nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten
geteilt und neu zusammengefügt wurden.
5
Das miteinander korrespondierende Bildpaar von Werner Dorsch wendet ein
wichtiges geistiges Ergebnis aus
dem frühen 16. Jahrhundert, die perspektivische Darstellung, so gekonnt
ein, dass zwei scheinbar gleiche Situationen in verschiedene Richtungen
interpretiert werden können.
6
Der Nürnberger Gerhard Hotter setzt für das bereits bei Laszlo Otto
vorgestellte Verfahren der Rasterbild- Gestaltung nicht wie dort die Folge
der
natürlichen Zahlen an sondern er benutzt dazu die Langfordsche-Folge,
eine ganz spezielle Zahlenfolge, die sogar nicht jedem Mathematiker
spontan einfällt. Das Besondere daran ist: Der Künstler benutzt ein streng
kontrollierbares Ergebnis der geistigen Beschäftigung der Wissenschaftler
mit den natürlichen Zahlen, setzt es aber so gekonnt ein, dass ein in den
geistigen Gehalt des Bildes nicht eingeweihter Betrachter eine in dem Werk
scheinbar existente strenge Gesetzmäßigkeit zwar zu spüren scheint, sie
aber wegen der mangelnden Information nicht zu überprüfen vermag:
Ein KONKRETES Werk dessen versteckte strenge Strukturen vorhanden aber durch den
unvorbereiteten Betrachter nur schwer aufzufinden sind.
7
Spielerischer, aber nicht weniger ernsthaft und streng überprüfbar setzt
der Worpsweder Martin Vosswinkel Raster ein. Er überlagert in seinen
Bildern jeweils mehrere netzartige, ebene KONKRETE Kunstwerke und gelangt zu
einer so nicht vermuteten Pseudo-Räumlichkeit
8
Sie erfordern wie die von strenger Ordnung in fast totale Unordnung
kippenden Werke von Vesna Kovacic
9
Die von Edgar Diehl ausgestellte Marquette ist das Modell der mit dem Otto
Schaffner Preis ausgezeichneten drei Meter hohen interaktiven Arbeit
„Hemmingways
Koffer“. Mit jedem Schritt den der Betrachter vor der Komposition aus
gelochtem Stahlblech macht, entsteht eine Vielzahl sich
verändernder Muster
Die Ausstellung zeigt auch Arbeiten zweier Künstler, die die Physik bzw.
die physikalische Technik in die Gestaltung ihrer KONKRETEN Kunstwerke
einbeziehen: Der Schweizer Rolf Schneebeli und der Franzose Michel Jouet.,
10
Rolf Schneebeli schafft Kunstwerke in einer Präzision, wie wir sie fast nur
von einem Schweizer Künstler erwarten würden: Unter einem auf eine
durchsichtige ebene Grundlage aufgetragenen perfekten zentralsymmetrisdchen
Strahlenkranz dreht sich eine runde Schreibe mit gleichem Zentrum
und
gleichem Strahlenkranz. Aber die Drehung erfolgt in einer kaum
wahrnehmbaren, kleinen Geschwindigkeit: Zwei übereinander gelagerte, durch
und durch KONKRETE Kunstwerke vermögen es so, den Betrachter zu verwirren,
helfen ihm erst nach geraumer Eingewöhnung, das gesamte
KONKRETE Kunstwerk geistig zu durchdringen, zu überprüfen und dann
entspannt zu genießen.
11
Der Franzose Michel Jouet geht gewissermaßen einen umgekehrten Weg. Er
startet z.B. in einem seiner hier gezeigten Werke mit einem KONKRETEN
Bild
aus in gleichen Abständen nebeneinander in einem quadratischen Rahmen
aufgehängten Pendeln. Dann löst er eines der Pendel aus seiner
Fixierung
und dreht den Rahmen soweit, dass das freie Pendel sich aus der
quadratischen Bildform herausbewegt: Das ursprünglich KONKRETE
Bild ist immer noch ein KONKRETES Bild: Wir können es, wie vom Künstler
geplant, geistig durchdringen und für „richtig“ befinden.
12
Allein das "love"- Bild der Österreicherin und vielmaligen
Biennale-Teilnehmerin Waltraut Cooper weist in dieser Ausstellung mit all
ihren aus
der traditionellen konkreten Kunst geläufigen Gesetzmäßigkeiten
auf neue Wege in der heutigen konkreten Kunst hin. Neue Ergebnisse der
Forschung,
z.B. in Kodierung, Kombinatorik, Aleatorik, Wahrscheinlichkeitsrechnung,
Statistik, Algorithmik, Stochastik fanden in den vergangenen Jahrzehnten
und
finden bis in die jüngste Zeit hinein Eingang in die konkrete Kunst. Bei
unserem Beispiel kann jeder Betrachter, der die Duale Verschlüsselung
kennt
oder sie sich aneignet, das von menschlichem Geist über die Duale
Verschlüsselung von Buchstaben erzeugte Werk entschlüsseln und auf
seine „Richtigkeit“ hin überprüfen: Es ist also ein KONKRETES
Kunstwerk von menschlichem Geist für menschlichen Geist geschaffen.
DIETMAR GUDERIAN
|
|