Ansichten XII
"37° 34´ N, 126° 59´ O"

Kuratorin: I h n  Y A N G , Seoul
23. Sept. 2012 - 24. Okt. 2012
Vernissage:
SAMSTAG,
22. Sept 2012, 17 Uhr

Ausstellende Künstler u.a.:
LIU Guangyun, REN Hui, HONG Sung Do, HONG Sung Chul, HONG Sangsik, KIM, Tae Jin, KENJI Ichikawa, KOH San
Keum, LEE Ji-Hyun, SONG Kwang Ik

Öffnungszeiten:
Mi. / Do. / Fr. 17-19 Uhr
und nach Vereinbarung

 

 

Z U R Ü C K

Ansichten XII – "37° 34´ N, 126° 59´ O"



Der Titel der Ausstellung sind die Koordinaten 37° 34’N 126° 59’O Hierbei handelt es sich um die geographische Längen- und Breitengrade der Stadt Seoul. Damit ist auch das verbindende Thema der Ausstellung beschrieben:
Im Zentrum der, von der in Seoul lebenden und international bekannten Galeristin Ihn YANG kuratierten Ausstellung, steht das Werk „Mouth-blue“ des koreanischen Künstlers Sang Sik Hong aus der Sammlung von Erhard Witzel. Darum zeigt die Kuratorin avantgardistische Künstler aus Korea und dem südost-asiatischen Raum.
HONG Sangsik (*1974) schafft wie auch bei seiner Arbeit „Mouth-blue“ monumentale Reliefs aus Strohhalmen. Er füllt eine große Fläche vollkommen mit parallel ausgerichteten senkrecht zur Fläche stehenden Trinkhalmen aus und erzeugt durch die unterschiedlichen Höhen ein Relief das sich plastisch aus der Fläche heraushebt. Da die Strohhalme in ihrem Inneren hohl sind erscheinen die Installationen nur von der Seite betrachtet als kompakt. Steht der Betrachte jedoch frontal vor dem Objekt, so hat er einen ungehinderten Blick in das Innere des Werkes.
Die Hauptthemen in den Arbeiten von HONG Sangsiks sind Macht und Sexualität. Die Ironie in seinen Werken ist darin zu sehen, dass er einen äußerst fragilen Werkstoff zur Umsetzung von emotionsgeladenen Themen wie Macht und Verlangen verwendet. Der Werkstoff ist dem alltäglichen Leben entlehnt und dient zur Darstellung dessen, was alle ersehnen, doch nur wenige erhalten. Jeder möchte Macht haben, doch liegt sie nur in den Händen einiger weniger.
LIU Guangyun (*1962) verwendet in seinen Arbeiten Hochglanz-Porträtaufnahmen von Photomodellen aus Modemagazinen oder Werbezeitschriften. Zunächst kopiert er als Collage diese Bilder auf Leinwände und formt plastische, dreidimensionale Gesichter. Er arbeitet diese „Gesichtsskulpturen“ und z.B. künstliche Blumen, die das chinesische Symbol für Schönheit darstellen, in die Werke ein und versiegelt diese gesamte Kompositionen abschließend in Kunstharz. Die Gesichter junger und schöner Models sind damit für immer in das starre und unnachgiebige, doch transparente Material gegossen. Er wählt Gesichter, die dem üblichen Schönheitsideal entsprechen, welche bis heute intensiv in der Werbeindustrie propagiert werden. Die Gesichter sind bar jeglicher Identität und weisen auf Plastische Chirurgie hin.
Die künstlichen Blumen und die künstlichen Gesichter sind die Verbildlichung von Anonymisierung. Sie abstrahieren die Frauen dahinter zu ausdruckslosen und identitätslosen Schönheiten. Die Gesichter weisen keinerlei Mimik auf. Ausdruckslos blicken die Modelle dem Betrachter aus dem Kunstharz heraus entgegen.
In der chinesischen Vorstellung kommt dem Gesicht eine zentrale Rolle zu. Man kann das Gesicht geben und nehmen, man kann es verlieren und bekommen. Teilweise ist dies mit Ansehen und Respekt oder dessen Verlust zu vergleichen. Nach chinesischer Vorstellung ist das Gesicht Mittelpunkt der menschlichen Natur und die gesamte Lebensgeschichte des Menschen ist daran ablesbar. Durch seine Darstellung führt LIU Guangyun diese chinesische geistesgeschichtliche Überlegung ad absurdum. Somit rüttelt der große Wunsch vieler junger Chinesen, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen, Ihre Gesichter einem Ideal anzunähern, an uralten Traditionen und Moral- und Glaubensvorstellungen.
Typische Sujets in REN Hui´s (*1957) pointilistischen Holzschnitten sind Menschen, Gebäude und Landschaften in China. Seine Werke schildern das alltägliche Leben. Sie erscheinen wie die künstlerische Umsetzung von Familienschnappschüssen, die in der bildnerische Sprache des Holzschnitts übertragen wurden. Seine Bilder sind nicht als Ratespiele zu verstehen, in denen die Punkte zu einem neuen Bild verbunden werden müssen, sondern stellen das Offensichtliche dar. REN Hui hat eine eigene Technik der Fertigung seiner Bilder entwickelt. Zunächst lackiert er eine Holzplatte farbig und arbeitet anschließend mit Hilfe eines Rakel´s oder Stanzeisens die Punkte, aus welchen die Bilder bestehen, aus der Fläche heraus.
Das bildnerische Medium von HONG Sung Do (*1953) ist die Fotografie. Der koreanische Künstler inszeniert seine Kunst nicht, indem er vor dem Drücken des Auslösers das reale Motiv bearbeitet, sondern er knipst mehrere Versionen des gleichen, willkürlich ausgewählten Motivs in zeitlichem Abstand. Im Anschluss wählt er eine Hauptaufnahme in die er Fragmente der anderen Versionen des Motivs einarbeitet. Durch zerknittern oder verzerren der ausgeschnittenen Bildteile treten bestimmte Aspekte des zweidimensionalen Objekts plastisch hervor. Die veränderten Bildteile fügen der Momentaufnahme eine zeitliche Komponente hinzu.
Das zentrale Thema in den Werken von HONG Sung Chul (*1969) ist Kommunikation zwischen Menschen. Zur Realisierung des Themas verwendet er elastische Bänder, die parallel zueinander angeordnet sind. Über die gesamte Fläche der in einen Rahmen gespannten, parallelen Bänder sind Hände in unterschiedlichsten Gesten und Haltungen gedruckt. Geraten die Bändern in Schwingung, so entsteht die Illusion der Bewegung der dargestellten Hand. Als würde das Werk dem Betrachter zuwinken, ihn davon scheuchen oder zu einer Umarmung einladen. Somit entsteht Kommunikation zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter.
Im Fotozyklus „Kunst ist Leben – Leben ist Kunst“ hat der Koreaner KIM Tae Jin (*1963) Menschen in China in ihrem Lebensumfeld und Alltag aufgenommen. In seine Werke hat er Aussagen über die Bedeutung und die Natur von Kunst, wie „Art is lonely“, „ART IS SALE“, „art is communication“ oder „art is on the way“, in roten Buchstaben eingefügt. Jede rote Schriftzeile wirft die Fragen nach der Rolle von Kunst in der Gesellschaft auf. Fragen nach Kommerz und sozialer Verantwortung dem Nächsten gegenüber werden ebenso gestellt wie nach Fortschritt und wirtschaftlicher Entwicklung.
Die Fotos wurden alle in der Stadt Chongqing aufgenommen, die sich im Süden Chinas befindet und derzeit Modernisierung und wirtschaftlichen wie industriellen Fortschritt erfährt.
Aus der Ferne sieht der Betrachter nur das Offensichtliche: eine Blume, eine Welle, einen Berg oder einen Mund. Tritt man jedoch näher an die Werke von KENJI Ichikawa (*1967)heran, so löst sich das Motiv in unzählige kleine Pixel auf, aus denen es aufgebaut ist.
Der Werkzyklus, aus dem die Arbeiten in der Ausstellung stammen, tragen den Namen „Ikebana“. Diesen leitet der Künstler vom Erstellungsprozess her ab: Aus asiatischen „Herrenmagazinen“ schneidet er weibliche Brüste in Quadraten aus. Er sammelt sie, wie ein Florist Blumen sammelt. Anschließend beklebt er High-Heels und Holzplatten mit diesen „Pixeln“ und befestigt die Damenschuhe auf den Holzplatten. Dieser Vorgang ist nun das Äquivalent zum Stecken oder Arrangieren der Blumen und Pflanzen. Im Inneren der Schuhe befindet sich jeweils ein Kenzan, ein Blumenigel, eine Vorrichtung bestehend aus Messingnadeln, die auf einer runden Platte befestigt sind, die das einfache Arrangiere der Blumen erlaubt.
Die koreanische Künstlerin SAN Keum Koh (*1966)reduziert Texte auf ihre Form und Struktur. Hierzu ersetzt sie die geschriebenen oder gedruckten Buchstaben durch kleine Perlen. So bleibt das oberflächliche Layout der Buchseite oder des Zeitungsartikels erhalten, doch der Inhalt des geschriebenen Wortes verschwindet hinter der äußeren Form des Textes.
Auf den ersten Blick sieht der Betrachter die Struktur und den Rhythmus eines geschriebenen und abgedruckte Textes, eines Zeitungsartikels, eines Gedichtes oder einer Buchseite. Tritt er jedoch näher heran, so taucht schnell die Assoziation mit der Brailleschrift für stark Sehbehinderte oder blinde Menschen auf. Die Buchstaben sind nicht länger zweidimensionale Formen auf Papier, sondern wurden durch dreidimensionale, künstliche Perlen ersetzt. Doch auch derjenige der der Brailleschrift mächtig ist, wird den Inhalt des Textes durch ertasten nicht erfassen können. Das geschriebene Wort ist auf reine Struktur und Form reduziert worden.
Der Artikel oder Aufsatz wird durch seine „Übersetzung“ in die internationale Sprache der Kunst übersetzt. Das Werk ist nun für jedermann, unabhängig von der Muttersprache oder den später erlernten Sprachen, gleichermaßen verständlich.
„Bücher sind das Gedächtnis des Mittelalters“, so heißt es. Büchern ist alles und nicht zu entnehmen. Sie handeln vom Leben und dem Tod, von Sein und Vergänglichkeit, befassen sich mich Fiktion und Realität. Diese Botschaften transportiert die koreanische Künstlerin LEE Ji-Hyun (*1965) in ihren Werken. Mit der Technik, die sie „pluck-off“ nennt, zerlegt sie Bücher in ihre originären Bestandteile und fügt diese im Anschluss wieder zusammen. Der Kreislauf von Werden und Vergehen. Sie arbeitet aus jeder Seite Buchstaben für Buchstaben oder aus einem Notensatz jede einzelne Note mit einem Messer heraus. Dadurch wird aus der zweidimensionalen Buchseite ein dreidimensionales Objekt. Nachdem sie jede einzelne Seite in der Art bearbeitet hat verbindet sie die Seiten wieder miteinander, die nicht die Hauptansicht sein sollen. An einer Stelle aufgeschlagen, offenbart das Buch oder der Notensatz einen Blick ins Innere. Die Präsentation der Werke erinnert an mittelalterliche Prunkschriften, bei denen die Handschrift hinter dickem Glas auf einer Sichtseite aufgeschlagen ist.
SONG Kwang Ik
(*1956) zaubert mit seinen Papierarbeiten, die aus hunderten kleinen rechteckigen Kuben bestehen mit einer raffinierten und gleichmäßigen Bemalung von jedem dieser Kuben geheimnisvolle Bilderwelten. Die Arbeiten zeichnen sich durch ihr außerordentliches Formgefühl aus, strahlen eine spezifische Lebendigkeit in der Gestaltung aus, der aber alle Formalismen und Manierismen fremd sind
(Daniela Weinstock)