Ansichten XIII
"Selbstportrait"
Kurator:
Dr. Winfried Nussbaummüller, Bregenz
11.
Nov. 2012 - 03. Feb. 2013
Vernissage:
SAMSTAG,
10. Nov. 2012, 17 Uhr
Ausstellende KünstlerInnen:
Kirsten Helfrich
Emilia u.
Ilya Kabakov
Mariella Scherling-Elia
Öffnungszeiten:
Do. / Fr. 17-19 Uhr, Sa. 16-18 Uhr
und nach Vereinbarung
Z U R Ü C K
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Ansichten XIII – "Selbstportrait"
Wichtiger Bestandteil der von Winfried Nußbaummüller kuratierten
Ausstellung ist eine Installationsskizze von Emilia und Ilya Kabakov,
die aus der Sammlung Erhard Witzel kommt und anlässlich ihrer Ausstellung im
Kunstverein Hannover 1991 entstanden ist. Der Kunstverein in Hannover ist
genauso wie die Dornbirner QuadrART Galerie als idealtypische
Ausstellungsarchitektur zu sehen – stellvertretend für eine Philosophie des
White-Cube. Ähnlich wie die Kabakovs, die in ihrer Ausstellung vor mehr als
20 Jahren mit Fliegen und damit einem Motiv der Vergänglichkeit auf die
ortsspezifischen Gegebenheiten reagierten, arbeiten sowohl Kirsten Helfrich
als auch Mariella Scherling Elia mit einem prozessbedingtem, organischen
Material.
Für Emilia und Ilya Kabakov ist die Fliege eine Ikone ihrer Heimat, der
ehemaligen Sowjetunion. Die Fliegen waren überall: Im Chaos, im Dreck, im
Müll, sie kamen durch jede Ritze, beherrschten den Lebensalltag, und
beobachteten und nervten. Mit einer Bildsprache, die den Realismus mit dem
Phantastischen kombiniert, verknüpfen der ehemalige Kinderbuchillustrator
und seine Frau das Private mit dem Politischen.
Schon seit längerer Zeit beschäftigt sich die in Kalabrien geborene
Künstlerin Mariella Scherling Elia mit einem Ausstellungsprojekt, das
existenziell für sie ist, und sie daher auch nicht mehr loslässt. Vorrangig
geht es darum, einen Olivenbaum aus ihrer italienischen Heimat nach
Vorarlberg zu bringen. Doch die Verhandlungen, die Reisen, der Transport,
die filmische Dokumentation, die mitwirkenden Helfer und auch die
Ausstellung selbst sind Puzzlestücke eines Werks, in dem sich die Frage nach
dem Selbst ganz grundlegend stellt.
Reflektiert werden das Wachsen in der Kindheit, die notwendigen Schnitte bei
einer Trennung, die Möglichkeiten der Persönlichkeitsfindung, das
Abschied-nehmen und das Erinnern.Nach dem Kunststudium in Florenz ist
Scherling Elia nicht mehr in den Süden zurückgegangen, sondern es hat sie
der Liebe und auch der Arbeit wegen mit ihrem Mann Hannes Scherling 1953
nach Vorarlberg verschlagen. Hohenems war damals als vorübergehende
Zwischenstation gedacht, doch mittlerweile hat die Künstlerin bereits 59
Jahre dort verbracht. Wie wichtig ihr jedoch die Frage nach den eigenen
Wurzeln ist, verdeutlicht ihr aktuelles Projekt. Am Beginn ihres
Selbstportraits, dem „Autoritratto“, steht die Suche nach einem geeigneten
Olivenbaum, der aus Kalabrien und möglichst nahe von Aprigliano kommen soll,
dem Ort, an dem sie aufgewachsen ist. Auf einer ersten Reise
sucht die Künstlerin mithilfe ihrer Familie und vielen Freunden nach dem
richtigen Baum. Relativ leicht wäre es, von einer Baumschule irgendein
junges Bäumchen zu erstehen. Aber Scherling Elia bevorzugt einen älteren und
damit bereits tiefer verwurzelten Olivenbaum. Da die Kalabresen ihre
Olivenbäume wie Schätze achten und hegen, gestaltet sich diese Projektphase
als echte Herausforderung. Nach zähem Ringen wird schließlich der richtige
Baum in Figline Vegliaturo unweit von Aprigliano gefunden. Er ist etwa 70
Jahre alt und doch aufgrund seiner jungen Äste vital genug, um auch einen
Transport nach Österreich zu überstehen. Auf einer zweiten Reise wird dieser
unter Anleitung des ortskundigen Gärtners Michele Fuoco zurechtgeschnitten,
vom kalabresischen Boden freigelegt, samt Erdballen vorsichtig gehoben und
für die weite Reise eingepackt. Unverzichtbarer Bestandsteil dieser
Vorbereitung ist auch die Segnung, die Pfarrer „Don Eddie“ im Beisein von
Verwandten
und Freunden vornimmt. Mit der Ausstellung im Dornbirner QuadrART, die
Mariella Scherling Elia als eine Art Zwischenstation zu ihrer jetzigen
Heimat Hohenems versteht, wird der verpflanzte Baum zu einem Bild der
Selbst-befragung, zur Metapher eines ganz persönlichen Kulturtransfers, und
da-mit zu einer Art Selbstportrait. Die vorliegende Filmdokumentation wurde
von Kirsten Helfrich geschnitten, die auch die zweite Reise nach Kalabrien
mit-gemacht hat. Die verhandlungsintensiven Bilder der ersten Reise liefert
Sohn Sandro Scherling.
Die Installation von Kirsten Helfrich hat auch mit einem Baum zu
tun, ebenso mit Veränderung und Neuanfang.
020799_13:18
2000-2012, japanischer Schlitzahorn, Messingschild graviert, 3 Filme.
Am 02.07.1999 um 13:18 Uhr nimmt Kirsten Helfrichs Mutter ihren letzten
Atemzug. Zur Beerdigung werden verschiedene Blumenschalen, Gestecke und
Pflanzen offeriert. Ein junges japanisches Schlitzahorn-Bäumchen wird in
weiterer Folge auf das Grab gepflanzt. Um etwas von diesem Grab in ihrer
Nähe zu haben, pflanzt Kirsten Helfrich diesen etwa ein Jahr später – im
Rahmen eines Ausstellungsprojekts – in den Hinterhof ihrer damaligen
Münchner Wohnung. Am Gehsteig vor dem Wohnblock wird ergänzend dazu ein
kleines Messingschild mit den eingravierten Todesdaten eingelassen. Die
Künstlerin zieht zwei Jahre später erst nach London und dann nach Bregenz,
der Baum und das Schild bleiben 12 Jahre lang unberührt an diesem Ort.
Bei der Vorbereitung zur jetzigen Ausstellung erinnert sich Helfrich an ihre
Münchner Intervention. Sie geht zurück an ihren ehemaligen Wohnort und sucht
das Schild und den Baum. Überraschenderweise verharrten beide Objekte an
ihrem Platz - nur unmerklich gewachsen ist der Schlitzahorn und im
Straßenstaub versunken das Schild. Auf die freundliche Anfrage bei der
Hausmeisterin, die Pflanze nun nach Österreich mitnehmen zu dürfen, reagiert
diese mit einer schroffen Absage. Nach Rücksprache bei der Hausverwaltung
entscheidet sich die Künstlerin, den Baum am 31.12.2012 dennoch zu holen und
an seiner Stelle einen ähnlichen Schlitzahorn zu hinterlassen. Bei der
Umgrabung droht die Hausmeisterin mit der Polizei und einer Anzeige.
Vorgesehen ist, den Baum nach Ausstellungsende wieder ans Grab der Mutter zu
pflanzen.
Ausgrabung
Eingrabung
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Weitere Bilder
Unser ganz besonderer Dank
gilt:
Fa. hämmerle Spezialtransporte, Hard
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